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titel mit lila balken spintisieren vom geheimnis der existenz etc.

 

Hintergrundinformationen zu lebenstor:

Auf dem Foto bin ich unter einer der Nanas zu sehen, die Niki de Saint Phalle berühmt machten. Die ersten Figuren waren noch aus Draht und Stoff, sie wurden 1964 in Paris ausgestellt. 1966 folgte das erste Großprojekt im Moderna Museet in Stockholm – eine begehbare 27 m lange liegende Frauenfigur mit Eingang durch die Vagina, die Urmutter aller folgenden Nanas, die nun, monströs, heiter, poppig bemalt, provokant und empörend die Welt erobern sollten. Mit ihrer Parole “Alle Macht den Nanas” griff Niki de St. Phalle die in der Luft liegenden Ideen der Frauenbewegung auf. Zunächst als überlebensgroße Polyesterfiguren gestaltet, wurden die Nanas in jeglicher Form – als Schmuckstücke, Parfümflakons, Plakatmotive – zum Symbol für weibliches Selbstbewußtsein und Stärke.

Walter Schubart hat in seinem Buch „Religion und Eros“ festgestellt, dass es auf unserer Erde einerseits „Erlösungsreligionen“ gibt und andererseits Religionen der „Schöpfungswonne“. Also wenn schon Religion, denke ich, dann sollte doch wohl von ihr nicht ausgerechnet die schönste und zauberhafteste Sache der Welt verteufelt werden. Schließlich erzeugt sie auch neues Leben!

„Das Religiöse und das Geschlechtliche sind die beiden stärksten Lebensmächte. Wer sie für ursprüngliche Widersacher hält, lehrt die ewige Zwiespältigkeit der Seele. Wer sie zu unversöhnlichen Feinden macht, zerreisst das menschliche Herz. Und es ist zerrissen worden! Wer über Religion und Erotik nachsinnt, muss den Finger an eine der schmerzlichsten Wunden legen, die in der Tiefe des Menschen blutet.“
Walter Schubart, Religion und Eros,
(C.H. Beck 1989)

In diesem Zusammenhang schrieb Regina König (www.aruna-tantra.de) in der Zeitschrift "Connection" 6/97:

"WEIBLICHE SPIRITUALITÄT -
ODER DIE RÜCKKEHR IN DEN
GARTEN DER LÜSTE
"

 In tantrischen Traditionen war es nie eine Frage, daß weibliche Sexualität und Körperlichkeit zutiefst mit Spiritualität verbunden ist. Jede Frau stellt eine Verkörperung des aktiven göttlichen Prinzips, desUrsprungs aller Dinge - Shakti genannt - dar. Shakti trägt alles Wissen über Sexualität in sich; ihre Yoni (Vulva) wird als Quelle des Lebens, der Schönheit, der Kraft, der Freude verehrt.
 Es heißt, daß jede Frau durch die Erweckung ihrer Schlangen-Kraft - ihrer sexuellen Feuerenergie – ihr höchstes schöpferisches Potential erreichen kann, und sie dadurch mit all ihren aktiven, initiierenden und umwandelnden Fähigkeiten in Berührung kommt. In diesem Sinne ist die Frau, Shakti, auch die Lehrerin der Sexualität, die dem Mann (Shiva) mit der Autorität ihres inneren Wissens, das in ihrem Körper begründet liegt, begegnet und sich mit ihm leidenschaftlich vereint.
Leider haben westliche Kulturen das Wissen um diese Verbindung verloren. Frauen unterlagen über Jahrtausende hinweg einem Prozess kollektiver Konditionierung, der sie vergessen ließ, daß ihr Körper ein Instrument des Göttlichen und ihre Sexualität die Grundlage ihrer Frauenkraft ist.

 Die 'Große Eine'
Erst neueste archäologische Forschungen (es sei hier z.B. auf die Arbeiten von Marija Gimbutas und James Mellaart hingewiesen) zeigen uns mit aller Deutlichkeit, daß es auch im europäischen und abendländischen Raum vor 5 - 10000 Jahren (Neolithikum) zahlreiche hochentwickelte Kulturen gegeben hat, denen eines gemeinsam ist: die kultische Verehrung einer zentralen weiblichen Gottheit, einer Schöpferin oder Großen Mutter. Im Zentrum dieses religiösen "Weltbildes" steht eine "Große Göttin" - sie enthält alles, aus ihr entsteht alles, sie gibt auch wieder alles der Quelle des Lebens zurück. Heilige Priesterinnen (heute würden wir vielleicht "Schamaninnen" sagen), die frei und selbstbewußt die "Große Eine" weltlich repräsentieren, verehren in ihren Ritualen auch die allumfassende sexuelle Urenergie.

 Sexualität und Spiritualität
Der sexuelle Aspekt der Göttin ist schon immer auch Teil ihrer Spiritualität: sie genießt und ist leidenschaftlich, sie verlangt selbstbewußt und aktiv die Befriedigung ihrer Wünsche und feiert singend und tanzend ihren eigenen Körper. Über ihre Lust und Sinnlichkeit ist sie empfängliche Schöpferin und Vermittlerin zu anderen Welten. Männer folgen ihrem Ruf in den Garten, in's Heiligtum, um sich in der - stellvertretenden - Vereinigung mit Tempelpriesterinnen, "heiligen Huren", "Jungfrauen" (damit gemeint sind Frauen, die der Göttin dienen und "eins-mit-sich-selbst" sind), symbolisch mit dem Göttlichen zu verbinden. Eine tiefe Achtung vor dem männlichen und weiblichen Prinzip liegt diesen partnerschaftlich ausgerichteten Gesellschaftsstrukturen zugrunde. 

 Die Verschmelzung beider Prinzipien im mythischen Ritual der "Heiligen Vermählung", der Liebesgöttin mit dem sterblichen königlichen Geliebten, gilt als Akt der Kommunion mit Gott, als heiliger Dienst für das Land, als Symbol für Fruchtbarkeit und ewiges Leben, als göttliche Schöpfungswonne. 

In diesem Sinne werden auch die Genitalien der Göttin und ihr Körper als etwas Großes, Heiliges, Geheimnisvolles angesehen - zahlreiche Figuren, Bildwerke, Gebäudeformen und Mythen aus verschiedenen Zeiten und Kulturen verherrlichen das Schoßheiligtum, die Vulva des göttlichen Weiblichen, als wichtige religiöse Symbole. So heißt es z.B. im sumerischen Innana-Mythos, der erst im 17.Jh.v.u.Z. auf Tontafeln aufgeschrieben wurde (zitiert in E.Hämmerling: Mondgöttin Inanna):

 "Inanna - die Königin des Himmels und der Erde, die Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit -
frohlockte über ihre wunderbare Vulva; die junge Frau beglückwünschte sich selbst..."
Und sie sprach zu Dumuzi, ihrem Geliebten: "Meine Vulva, das Mondhorn, das Boot des
Himmels, ist voller Begehren wie der junge Mond. Mein Land liegt brach. Pflüge meine
Vulva, oh Mann meines Herzens!
An den Lenden des Königs wuchs die hohe Zeder. (...) Korn wuchs hoch an ihrer beider Seite.
Gärten blühten in üppiger Pracht"...

Und - nachdem sie sich fünzig mal geliebt hatten: "Oh Dumuzi! Deine Fülle ist mein Entzücken!
Mein Blütenträger, schön war deine Erscheinung! 

Der Sturz der Göttin
Doch wo sind wir nun gelandet? Was von dieser "Leiden"schaft, Fruchtbarkeit, Lebens- und Sinnesfreude, ist noch Teil unseres traurigen Götterhimmels? Was von dieser Fülle und kraftvollen Autorität überlebte die radikale christlich-patriarchale Göttinnen-Inquisition? Dem katholischen männlichen Triumvirat darf gerade noch eine barmherzige, mütterliche, durch und durch reine Heilige Maria als weibliche spirituelle Repräsentantin zur Seite stehen.... Luther machte selbst ihr den Garaus. Was bedingte den Sturz der alten schamanischen Religion der Großen Göttin? Was führte zum Verstoß aus dem "Garten Eden", zur Verdammung der Schlange - dem uralten Symbol der Weisheit und Sexualität aller Frauen auf der ganzen Welt?

 Zahlreiche Forschungsarbeiten machen inzwischen deutlich, daß es vor mehr als fünf Jahrtausenden - unabhängig voneinander - an verschiedenen Orten der Erde zu einem sehr ähnlich gearteten Eindringen patriarchaler Energiestrukturen in damals ausgewogene friedliche Gesellschaftssysteme kam. Nach wie vor ungeklärt ist, was die Auslöser dazu waren. Verschiedene Theorien sprechen von bestimmten astrologischen Konstellationen, Bevölkerungsverschiebungen, Klimaveränderungen, Dürre- oder Seuchenkatastrophen; vielleicht aber stand diese Neuorientierung auch einfach nur im Zeichen ganz normaler zyklischer Entwicklungsprozesse... 

Nach dem "Einfall patriarchaler Horden" - wie Vicki Noble, die Schöpferin des Motherpeace- Tarots es etwas sarkastisch beschreibt - dauerte es noch Jahrtausende (mindestens jedoch bis zum Beginn des Christentums), bis die "Große Göttin", und damit auch das verbindende Element von Sexualität und Spiritualität, in diesen frühen Kulturen entgültig eliminiert werden konnte. Das Alte Testament z.B. ist eine wahre Fundgrube der Darstellung dieses langen und zähen Kampfes gegen das allumfassende göttliche Weibliche - so etwa der Kampf gegen das Goldene Kalb (welches die Große Göttin Ägyptens Isis/Hathor zeigte) oder gegen die "große Hure Babylon". Männliche strafende Götter setzten sich nun selbstherrlich auf den Thron der Göttin. Priesterinnen, die die heilige Sexualität praktizierten, wurden nach und nach aus den Tempeln verdrängt, zu Prostituierten degradiert und durch Eunuchen-Priester, die sich in Frauengewänder hüllten (und noch immer dort sind), ersetzt. Spätere Mythen unseres Kulturkreises, wie z.B. die griechischen, überliefern nur noch Bilder von Göttinnen in reduzierten Teilaspekten des Weiblichen: sie ergänzen das Männliche oder verwalten fest umgrenzte, kontrollierbare Aufgabengebiete, wie etwa den Eros, die eheliche Ordnung, die Fruchtbarkeit der Felder, die freie Wildnis, das Land der Toten, die Unterwelt. Frauen sind in diesen Gesellschaften bereits zu Objekten, zu "Besitz" erniedrigt: sie haben keinen Einfluß mehr auf die Wahl ihrer Gatten; sie können von ihren Ehemännern - im Einklang mit dem Gesetz – verstoßen, ausgetauscht oder verkauft werden.

 Weib, um deiner Sünden willen...
 Was immer sich an Selbstverständnis über die biologische Grundlage weiblicher Macht und Ganzheit noch in dieses unser Jahrtausend retten konnte, wurde spätestens im Mittelalter von christlicher Moraltheologie und Inquisition massakriert und ausradiert. Die ehemals heilige Verbindung von Eros und Religion fiel einer Abwertung und Schwächung alles Lebendigem zum Opfer. Weibliche Sexualität - wie überhaupt alles Geschlechtliche - war fortan ein "Werk des Teufels", dem es galt, gnadenlos entgegenzuwirken ("Weib, um deiner Sünden willen mußte der Erlöser den Tod erleiden".... wobei wir hier mit der Frage übrigbleiben, wovon uns dieser "Erlöser" denn nun wirklich befreit hat?!).

Heilerische und seherische Fähigkeiten, das Wissen um Fruchtbarkeit, um zyklische Prozesse in der Natur - also weibliche spirituelle Qualitäten – konnten ebenfalls nur aus einem "Bündnis mit dem Teufel" entspringen. Im 'Speculum' des Vinzenz v.Beauvais (13.Jh.) z.B. lesen wir: "Die Frau ist die Verwirrung des Mannes, ein unersättliches Tier, eine fortwährende Sorge, eine ständige Kriegsfackel, ein tägliches Verderben, ein Haus des Sturms, ein Hindernis der Frömmigkeit..." Der Heilige Augustinus ging sogar soweit, Frauen ihre Seele abzusprechen. 

Frauen wurden über Jahrhunderte aller Arten von Lüsternheit und Hurerei beschuldigt; sie wurden für jede Versuchung der Männer verantwortlich gemacht und dafür genötigt, gefoltert, verbrannt oder gezüchtigt. Das Christentum als Religion der Keuschheit ließ Sexualität in ihrer Gesamtheit zur freudlosen Fortpflanzungsdisziplin verkommen. Wen nimmt es da wunder, wenn z.B. noch um 1900 in einem gynökologischen Kongress mit Mehrheit darüber abgestimmt wurde, daß die "gute" Frau sexuell nichts empfindet !

Entfremdung
Eine der schmerzvollsten Erfahrungen für Frauen wurde es, sich für ihre ehemals selbstbestimmte genußvolle Körperlichkeit nun zu schämen, ja dafür sogar in den Tod gehen zu müssen. Selbstverurteilung, Schuldgefühle, Verbitterung, Depression, Ekel, Selbsthaß, Verweigerung, Nicht-Spüren und Nicht-Wissen und ein Nachahmen männlichen Verhaltens kennzeichnen so seit Jahrhunderten das sexuelle Leben von Frauen. 

Das Ausmaß, in dem Frauen sich von ihrem Körper und ihrem Wissen um natürliche sexuelle Begegnungen entfremden mußten, hatte schließlich auch ungeheure Auswirkungen auf ihren Zugang zu ihrer Spiritualität, zu ihrer eigenen Kraft und zu ihrem weiblichen Selbstbewußtsein. Es ist nicht möglich, den Eros zu schwächen oder auszuklammern, ohne damit gleichzeitig auch Lebendigkeit, Verrücktheit, Liebe und Gefühl, Unberechenbarkeit und so auch alles Schöpferische abzuspalten. 

"Nette Mädchen" oder "gute Frauen" mögen in diesem Sinne zwar vielleicht pflegeleicht sein, sie verlieren damit aber auch ihre innere Autorität und ursprüngliche Shakti-Kraft. In den Körperzellen aller Frauen - und letztendlich auch in denen aller Männer - sind unzählige Erinnerungen an 5000 Jahre Geschichte der Unterdrückung, Verfolgung, Verteufelung und religiöser Abwertung dieser ursprünglich so heiligen und lustvollen Energie der Großen Göttin gespeichert. Unsere Körper wissen nicht mehr, was es heißt, zu lieben und sie wissen auch nicht mehr, wie es ist, natürlich sexuell zu sein. Selbst 40 Jahre sexueller Revolution (darin eingeschlossen westliche neotantrische Entwicklungen) und eine uns nimmermüde an diesen Ursprung erinnernde Frauenbewegung, sind - verglichen mit dem jahrtausendelangem Abgeschnittensein von diesen essentiellen Qualitäten - nicht mehr als ein winziger Tropfen auf vertrockneter Wüstenerde. "Sexualtechniken", ausgefallene Praktiken und eine generelle Über-Sexualisierung in den Medien verschleiern die Trauer um den Verlust dieser Verbindung. Cyber-, Online-, Video-, Telefon-Sex erscheinen in diesem Licht wie grausame Surrogate für jene heilende und befruchtende "Heilige Hochzeit", die wir einst mit der großen Göttin feierten.

Heilige Sexualität
Frauen dürsten mehr als je zuvor nach Möglichkeiten, mehr über weibliche Sexualität zu erfahren, sich selbst zu entdecken, zu erforschen und mit ihrem Körper tiefer in Kontakt zu kommen. Die eigentliche Sehnsucht, die hinter diesem Hunger zu finden ist, enthält den brennenden Wunsch, wieder die Türen zu jenen inneren Räumen zu öffnen, in denen Frauen schon immer zuhause gewesen sind. Weibliche spirituelle Erfahrung und tiefe Selbstbejahung setzen aber voraus, daß wir im Körper gegründet sind und in der Lage sind, aus dem Eros heraus zu handeln und uns allem Lebendigem hinzugeben. 

Wenn wir wieder eine Welt erschaffen möchten, die Sexualität und Lebensenergie als etwas Heiliges verehrt, werden wir nicht umhin kommen, uns unser Getrenntsein immer wieder schmerzlich bewußt zu machen und mit viel Geduld und Ehrlichkeit in kleinen Schritten eine Rückverbindung (= religio) zu unserer tieferen sexuellen Natur zu wagen. Auch wenn uns die Angst in allen Knochen sitzt, sollten wir uns dennoch mit aller Kraft darauf ausrichten, wieder sexuell-spirituelle Wesen zu werden, um die Tiefe der weiblichen Urkraft wiederzuentdecken.

Es mag wohl einige Generationen dauern, bis das, was anfängt sich in unseren Vorstellungen zu verändern, sich auch in unseren Körpern verankern wird. Bis Frauen wieder in ihrer Ganzheit und in der ihnen spezifischen Autorität Männer zu einem Zusammentreffen an diesen inneren Ort einladen können und diese dem Ruf in den Garten, in's Heiligtum folgen werden. Die Große Göttin ist vorsichtig geworden...
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Aus dem Inanna-Mythos:

Der Himmel ist mein, die Erde ist mein
Ich bin Kriegerin, das bin ich
Gibt es einen Gott, der sich mit mir messen kann?
Die Götter sind Spatzen - ich bin ein Falke
Die Götter trudeln dahin.
Ich bin eine prächtige wilde Kuh.

Lied der Inanna



Zum Spitzen zwischen den Fingerritzen:
http://home.dtc.ch/nuhlmann/Presseinformation.pdf



 
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